Familienfeste erweitern stets meinen kulturellen und sozialen Horizont. Diesmal war es die Erst Kommunion meiner Cousine. Jung trifft auf alt. Schlank und sportlich, auf dick und träge. Extrovertiert auf Introvertiert. Büroschnepfe (ich) auf Marilyn Manson oder Bill von Tokio Hotel Double (ja, er hatte auch diese monströse Kontaktlinse und tonnenweise schwarzen Kajal) Nicht zu vergessen hetero auf homosexuell, und konservativ auf progressiv. Es gab eine Gemeinsamkeit: die Vorliebe für ein volles Campari Orange, Sekt oder Weinglas in der Hand, und ,erstaunlicherweise, thailändisches Schlemmen. Soviel zum Vortag, den wir in der Wohnung meiner Tante verbrachten, um anschliessend in ein popliges Hotel abzusteigen.
Ich hatte mich auf einen absolut öden Samstagabend eingestellt, den ich mehr oder weniger, alleine mit einem Buch verbringen würde, um anschliessend um 23 Uhr schlafen zu gehen, da der Weckdienst am nächsten morgen für 7.30 Uhr geordert war.
Doch ich hatte mich geirrt. Da meine liebe Verwandschaft in einer bescheidenen Wohnung, in einem noch winzigeren Vorort von Ludwigsburg residieren, dachte sich mein Onkel, dass wir nach Stuttgart fahren könnten, und uns dort vor dem sonntäglichen Grauen ordentlich die Kante geben. Gesagt getan. Ich befand mich also am folgenden Morgen im Frühstücksraum der etwas militärisch geleiteten Pension wieder. (Das in drohendem Ton gestellte Angebot: "Kaffee?" schlug ich dankend aus.) Mein Hungergefühl wurde durch den um 2.30 Uhr geexten Baccardi Cola gehemmt. Ehe ich es mich versah stand ich auch schon in einer viel zu engen, überfüllten Kirche und wartete sehnlichst darauf, einen Blick auf meine Cousine, leicht narzischtisch mit ihrem überteuerten Kleid, werfen zu können. Vergebens. Ich konnte 3 Momente zählen: Cousine betritt die Kirche. Cousine läuft zum Altar. Cousine verlässt die Kirche. Natürlich flitzten wir alle so schnell wie möglich hinterher, wo uns dann auch schon der Sektempfang erwartete (und weiter geht's...) Jedoch muss ich noch anmerken, dass ich nie zuvor einen so lockeren Erst Kommuinon-Gottesdienst gesehen habe. (als ehemalige Ministrantin kann ich da mitreden) Dann folgte das Übliche. Essen. Alkohol. Es hagelt Gelaber von konservativen Tanten auf mich: "Ach Sie reden mit mir, 'tschuldigung, was sagten Sie?" "Nein ich nehme keine Drogen." Natürlich musste mein Onkel alle noch über meine nächtliche Begegnung mit einem Türsteher informieren:
Türsteher zu mir und meinem Onkel gewandt: "Seit ihr zwei alleine?" Blick fest auf mein tiefblickend lassendes Chiffontop gerichtet. Wir: "Nein." auf die restliche Meute bedeutend.
Er unterliess jedoch das Ende des Dialogs:
"Der kommt hier nicht rein." bedeutend auf Marilyn Manson.
Ich lache gequält. Werfe meinem Onkel aber gleichzeitig meinen berüchtigten: "Ichwerdedichtöten-Blick" zu. Das Entleeren eines weiteren Schampusglases, liess mich meine Mordlust vergessen. Trotzdem war ich immer noch leicht angesäuert, weil ich einem der angesagtesten Clubs von Stuttgarts, weil ich mit einen Grufti unterwegs war (hallo?!) fern bleiben musste.
Mir wurde an diesem Wochenende aber so einiges klar:
Nie und nimmer möchte ich meine gestörte Familie gegen die meiner Cousine tauschen. Ich und die Kirche werden kaum mehr Freundschaft schliessen. Ich habe ein Problem mit Gruftis wenn sie mich am unbeschwerten Feiern hindern. Ich plane wieder einen Trip (ohne Gruftis) nach Stuttgart. Original deutscher Kaffee schmeckt beschissen. Kinder werden an diesem Anlass zu reich beschenkt. Ich werde für lange Zeit keinen Sekt mehr trinken.
So, nun sind meine Kopfschmerzen schon fast verschwunden und ich werde mein Schlafdefizit wieder wett machen.